Mit dem Rüssel in Brüssel - September 2023

Donnerstag, 7. September 2023


Autor:
Dr. Johann Schlederer, Vizepräsident COPA, AG-Schwein


EU plant Tierschutzkennzeichnung für Binnenmarkt
Der Tierschutz ist ein entscheidender Produktionsfaktor im gesamten europäischen Viehsektor, daher ist er auch in der EU-Gesetzgebung verankert. Derzeit gibt es allerdings keine EU-Gesetzgebung zur Kennzeichnung der unterschiedlichen Tierschutzanforderungen, in unseren Breiten als Haltungskennzeichnung bekannt. Daher arbeitet die europäische Kommission zurzeit daran, noch heuer den Vorschlag für eine neue Verordnung zu diesem Thema vorzulegen. Es ist davon auszugehen, dass sich die Kommission bei der Erarbeitung an den bereits bestehenden Tierwohlkennzeichnungssystemen in einigen Mitgliedsstaaten orientieren werden. Da diese Reglements immer über gesetzliche Anforderungen liegen, geht es darum sicherzustellen, dass diese Tierwohlbemühungen angemessen aufgewertet und in einem harmonisierten EU-Rahmen dargestellt werden. Wohl keine leichte Aufgabe, wenn man an die Vielzahl der Produktionssysteme in den verschiedenen Mitgliedsstaaten und die Fülle der daraus erzeugten Produkte denkt.

COPA und COGECA schlagen daher einige Leitprinzipien vor, an denen sich die Kommission orientieren sollte:

Zum Start sollte das System auf freiwillige Basis funktionieren.

  • Dabei würden Landwirte, die sich nicht dazu entschließen daran teilzunehmen, nicht diskriminiert und auch Produkte die bereits bestehende hohe EU-Tierschutzstandards erfüllen, werden dabei nicht diskriminiert
  • Das neue Kennzeichnungssystem sollte nicht auf einzelne Tierschutzfaktoren abzielen, sondern die Gesamtheit der Produktionsmethode, die einen Mehrwert für das Tier darstellt, repräsentieren. So könnte ein harmonisierter EU-Rahmen eine gemeinsame Grundlage für eine Wertsteigerung der europäischen Tierprodukte sein.

Das Regulativ sollte auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen.

  • Tierwohl ist ein umfassendes und komplexes Thema das sorgfältig geprüft sein muss, bevor gesetzgeberische Schritte gesetzt werden.
  • Der Kennzeichnungsrahmen sollte die produktiven Besonderheiten der Mitgliedsstaaten berücksichtigen, da die Art der Tierhaltung durch mehrere Faktoren beeinflusst werden kann, wie z. B. Traditionen, Geografie, klimatische Bedingungen, Tageslichtdauer in verschiedenen Jahreszeiten etc. Die sich aus den Kriterien ergebenden Indikatoren müssen artspezifisch angepasst und auf Wirksamkeit ausgerichtet sein, hohe unangemessene oder deplatzierte Anforderungen sind zu vermeiden.
  • Ein wissenschaftlich belastbares und zuverlässiges System erfordert eine unabhängige Kontrolle, d. h. eine Überprüfung vor Ort durch unabhängige Dritte.


Wirtschaftlichkeitsaspekte haben hohe Relevanz

  • Um die anfallenden Umsetzungskosten zu kompensieren, ist eine angemessene Rendite der Investitionen in der Landwirtschaft unerlässlich. Etwaige Vorteile entlang der Wertschöpfungskette müssen gerecht verteilt werde. Tierwohlkennzeichnung muss ein zusätzliches Instrument zur Verbraucherinformation darstellen. Und damit Verbraucher das Tierwohlkennzeichnungssystem wirklich verstehen und nutzen können, müssen sie ordnungsgemäß informiert sein und problemlos auf alle relevanten Informationen über das Produkt zugreifen können. Damit ist die Tierwohlkennzeichnung ein zusätzliches Instrument als Hilfestellung für die Kaufentscheidung.
  • Sowohl frische als auch verarbeitete Produkte sind für die Kennzeichnung vorzusehen. Gleiches gilt für die Einsetzbarkeit im Hotel, Restaurant und Cateringsektor.

Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen am internationalen/globalen Markt

  • Eine Unterscheidung zwischen EU und Nicht-EU-Produkten muss klar ersichtlich sein. Die EU-Tierwohlkennzeichnung darf nicht zum Wettbewerbsnachteil für Tierproduzenten am EU-Binnenmarkt führen. Importierte Produkte aus Drittstaaten, die am freiwilligen EU-Tierwohlsystem teilnehmen möchten, ist diesen nur dann gestattet, wenn das Drittlandsystem in der EU als gleichwertig anerkannt wird. Dies bedarf der Sicherstellung eines funktionierten Kontrollsystems entlang der gesamten Produktionskette, darüber hinaus ist zwischen EU und Nicht-EU-Produkten zu unterscheiden.
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